„Auch die Dinosaurier dachten, sie hätten genug Zeit“.
Solche und ähnliche Slogans konnten wir alle in den letzten Wochen bei den „Fridays for Future“- oder den „Extinction Rebellion“-Demonstrationen lesen, wobei allerdings in einer solchen Aussage die mentalen Fähigkeit der großen Echsen wohl maßlos überschätzt wird. Oft werden Menschen mit sehr archaischen Ansichten (deren Aussterben man erhofft) als Dinosaurier bezeichnet.
Die beiden Beispiele zeigen, dass Aussterben sowohl positiv als auch negativ gesehen wird. Einerseits wird den Dinosauriern vorgeworfen, nicht genügend Daseinsvorsorge betrieben zu haben, und ihr Schicksal soll uns als Mahnung und Warnung dienen, andererseits wird begrüßt, dass nur noch Fossilien von ihrer einstigen Glanzzeit künden.
Seit der Entdeckung dieser Tiere im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts müssen die Viecher und vor allem deren Untergang immer wieder als Bildspender zur Umschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse herhalten. Sie illustrieren in der Regel den Widerstreit zwischen den Kräften der Beharrung und des Fortschritts.
Soweit wir es verfolgen können, hat sich die Menschheit mindestens ebenso viele Gedanken über das Aussterben ihrer Art wie um den Tod des Individuums gemacht und ihre Sorgen in Bildern, Mythen und Legenden gefasst: Die Sintflut in der Bibel, der Untergang von Atlantis bei Platon, die Geschichte von Phaeton, der mit seinem Sonnenwagen fast die Erde verbrannt hätte, die große Flut in Ovids Metamorphosen, der nur Deukalion und seine Frau entkommen sind, die Johannesapokalypse und schließlich das Jüngste Gericht.
Spätestens seit dem 6. August 1945, als die erste Atombombe über der japanischen Stadt Hiroshima abgeworfen worden ist, ist uns bewusst geworden, dass es keiner Sündflut, keiner Supernova oder keines Kometeneinschlages bedarf, um unsere Art zu einer Fußnote in der Geschichte des Universums werden zu lassen. Unter diesem Eindruck ist eine Fülle an Bildern und Literatur zum Thema Aussterben hinzugekommen, welche an Schrecklichkeit ihren antiken und mittelalterlichen Vorgängern in nichts nachgeben.
In dem Vortrag von Dr. Martin Kersting geht es nicht um das Aussterben an sich, sondern um das Bild des Aussterbens.
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