Rising Steilshoop?

Wir alle wissen es noch aus Kindergartenzeiten: Es gibt nur Probleme, die man auch sieht – und wenn man sich einfach die Hände vor die Augen hält, gibt es auch das Problem nicht mehr, oder, um es mit der großen schwedischen Denkerin zu sagen: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ Trotz ungeschmälerter Hochachtung für Frau Dr. Langstrumpf scheint mir ihre Lebensmaxime nicht ganz zu Ende gedacht. Was ist, wenn anderen diese Welt nicht gefällt? Ganz einfach: Dann gilt das Prinzip Kindergarten oder in der fernöstlichen Version das der drei Affen.

Diese Art, sich das Leben erfreulich zu machen, führen uns gerade beispielhaft die Steilshooper Quartiersentwickler vor:

Während es im Stadtteil trotz Coronalähmung ob eines anderen Entwicklungsprojektes – der Nordbebauung mit einem möglichen Abriss der Schule – regelrecht gärt, ist in ihrem schönen „Newsletter“ mit dem noch schöneren Untertitel „Steilshoop Rise Ticker“ kein Wort davon zu lesen. Das Prinzip feierte schon große Erfolge, als zum Beispiel die Bürgerversammlung zu diesem Thema, initiiert von der Koordinierungskonferenz und Mitgliedern des Stadtteilbeirates, komplett ohne jede Beteiligung von Verwaltung und Lawaetz-Stiftung stattfand. Auch der Verteiler des Stadtteilbüros wurde so gut wie gar nicht genutzt, um die ein oder andere oppositionelle Äußerung unter das Volk zu bringen. Im Sinne der Weitergabe von Informationen ist das nicht weiter tragisch, denn dank der eigentlich nicht mehr ganz so neuen Medien gibt es genügend Kanäle, die ohne einen Setzkasten und eine Druckerpresse auskommen. Eine Katastrophe ist das allerdings für eine lebendige Diskussionskultur im Stadtteil: So wurde etwa auf der Bürgerversammlung ein zwölfseitiger Fragekatalog erarbeitet, in welchem die Steilshooperinnen und Steilshooper ihre Sorgen und Probleme mit der Siedlungserweiterung formuliert haben. Dass bisher kaum Reaktionen aus Bezirksamt, Senat oder von der Saga gekommen sind, war absehbar. Von einer Quartiersentwicklung ist aber zu erwarten, dass sie Debatten im Stadtteil aufgreift und zumindest auf ihre Existenz aufmerksam macht. Persönlich hätte ich auch nichts dagegen, wenn eine Position bezogen würde, die auch der meinen komplett entgegen läuft. Demokratie – demokratische Stadtteilentwicklung – lebt vom Streitgespräch. Wenn man diesem allerdings ausweicht, drängt sich schnell der Verdacht auf, dass hier nur ein Transmissionsriemen zur Durchsetzung der behördlichen Interessen am Werk ist.

Leider hat man dieses Gefühl auch bei dem einzigen inhaltlichen Beitrag des „Steilshooper Rise Tickers“, wo es um die Sanierung des Innenhofes des Ring 3 geht. Schon 2017 hat eine Gruppe engagierter Steilshooperinnen und Steilshooper in einem Rückblick (S. 56 f.) auf die vergangene Quartiersentwicklung Kritik an dem Prinzip „Rechte Tasche – Linke Tasche“ geäußert, wenn Immobilien privatwirtschaftlicher Unternehmen mit öffentlichen Mitteln aufgewertet werden. Es gibt vielleicht gute Gründe, die Kritik nicht anzunehmen, aber sie völlig zu ignorieren ist nicht unbedingt ein Zeichen einer Dialogbereitschaft.

Etwas bedauerlich empfinde ich, dass es zwar in den letzten Jahren durchaus Verbesserungen in der Gesprächskultur gegeben hat, die aber durch eine derartige reine Werbebroschüre nahezu weg gewischt werden. Bleibt die Hoffnung, dass es ein einmaliger Ausrutscher war.

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3 Kommentare

  • Mariana

    Wird eigentlich noch irgend jemand zur Verantwortung geführt? Oder ist es nicht viel mehr ein Marionettenspiel das seine Puppen braucht um sich zu Rechtfertigen? Ich bin Steilshooper und heute innerlich, verantwortlich dafür dass möglichst alle Steilshooper erfahren was die Politik vor hat. Ist das normal? Was für eine Informationspolitik wird da praktiziert? Warum braucht es mich und andere wie mich um in meinem Stadtteil zu informieren? Ist dies nicht eigentlich die Aufgabe der Politik ein Feedback zu geben?

    Ich frage jeden: Was bitte läuft hier verkehrt !?
    Und was ist dir für Steilshoop wichtig!? Wenn Du Steishooper es nicht selber weißt,?, dann gibst Du Verantwortung ab.

    Martin Du trägst schon lange Verantwortung für vieles. Es wird Zeit das Du zum Lehrer wirst. Und Ich frage mich, was ist dein größter Wunsch für Steilshoop?

    Und wo ich Dir schon schreibe.
    Ich lese deine Beiträge Sehr gerne. Es ist immer eine Freude.

    • Martin Kersting

      Eigentlich kein inhaltlicher Beitrag zu Marianas zutreffendem Kommentar. Mich hat nur das Wort Marionette daran erinnert, dass z.Zt. großartige (great, um mit dem bedeutendsten lebenden Genie der Zeit zu sprechen) Marionetten in einem großartigen Bild von Werner Tübke in einer zur Zeit in Hamburg im Barlach Haus in Klein-Flottbeck gezeigten Ausstellung (Kosmos Ost) zu besichtigen sind.
      Unbedingt angucken!

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