Waffen und einen Helden besinge ich…

„arma virumque cano …“ – der Beginn der Aeneis des römischen Dichters Vergil. Der Mann war wahrscheinlich das wichtigste Bauteil in der Propagandamaschine des Kaisers Augustus, welche die Aufgabe hatte, den republikanisch gesinnten Römern das Principat schmackhaft zu machen und es als Ziel der Geschichte der Stadt Rom und des römischen Reiches zu verkaufen. Trotz dieses Makels ist dabei eines der grandiosesten Werke der Literaturgeschichte herausgekommen, vergleichbar allenfalls noch mit der Ilias und der Odyssee.

Das Epos ist die literarische Bearbeitung des Gründungsmythos der Stadt Rom und erzählt wie der Held Aeneas aus dem brennenden Troja fliehen kann und schließlich in Italien landet, wo sein Nachfahre Romulus dann Rom gründet.

Wie alle großen Epen ist auch die Aeneis eine literarische Verpackung von sex and crime. Anders als im Nibelungenlied oder in der Ilias gibt es aber kein böses Ende, denn schließlich findet die Geschichte ihre Erfüllung in der milden, weisen und gerechten Herrschaft eines Kaiser Augustus.

Jetzt gibt es in Steilshoop wieder einmal eine Aeneis für Arme.

Der Vergil heißt Thomas Hahn, schreibt nicht mehr auf Papyrus und für Augustus und Maecenas, sondern für die Süddeutsche Zeitung und die Aenease, Juliuse oder Anchise sind Hadi, Mahmout und Hamsa benannt. Die karthagische Königin Dido wird im geklauten Auto ins Kino nach Billbrook gefahren, und S-Bahn-Surfen ist ein vollkommener Ersatz für das Navigieren in stürmischer See.

Wie wir seit Heinrich Schliemann wissen haben alle Epen einen historischen Kern – und der Kern des Steilshooper Gründungsmythos sind die Ghetto-Kings. Frau Fama berichtet, dass der Flecken hier einst von wilden Kerlen besiedelt war, welche nicht einmal Achtung vor dem Grau und Braun der Stadtplanung hatten, sondern ihre farbigen Duftmarkten an Wänden und Mauern hinterließen. Selbst die tapfere Ritterschaft der Hausverwalter und Hausmeister war ihrem schändlichen Tun machtlos ausgeliefert, so dass sie nur noch einen Ausweg sahen: Sie mussten die noch tapferen Ritter des Ordens der sozialen Arbeit zur Hilfe rufen. Diese lockten dann die wilden Kerle aus ihren Höhlen Schule und Einkaufszentrum und schenkten ihnen eine neue Höhle an der Gründgensstraße. Damit sie nie mehr in ihr altes Domizil in der Schule zurückkehren konnten, machte man sich bei noch anderen Rittern, welche zum Beispiel auf Pershings II aufpassten, sachkundig, wie heutzutage idealerweise eine Dornenhecke um ein Schloss auszusehen hätte.

So weit die Historie: Zum Mythos und in der Folge zum Epos wird aber Geschichte erst, wenn man sie immer und immer wieder erzählt und damit „zersingt“, wie es der Literaturwissenschaftler sagen würde. Thomas Hahn, Barde der Ghetto-Kings im Auftrag der Süddeutschen Zeitung, zum Beispiel wärmt die zwanzig Jahre alten Heldentaten nicht nur auf, sondern teilt uns auch mit, dass alles wieder gut geworden ist, dass die Ritter des ordo laboris socialis ganze Arbeit geleistet haben. Hadi, Mahmout und Hamsa, die Heroen unseres Epos, sind nicht nur wieder auf dem Pfad der Tugend unterwegs; nein, sie erziehen ihre Kinder so, wie wir Kinder am liebsten haben: Leistungsorientiert und angepasst.

Vielleicht doch nicht Vergil, vielleicht doch kein Epos, sondern nur eine Sozialschmonzette?

Leider, leider muss ich als politisch korrekter Steilshooper noch eine mahnendes Wort sprechen: Mich bedrückt, dass die hiesige Wort und Bildpolizei sich noch nicht des Artikels angenommen hat. Die Namen der vormaligen Bösewichter lassen erahnen, dass sie oder ihre Vorfahren orientalischer Herkunft sind. Wo bleibt da der Herakles, welcher mit der Rassismus-Antiislamismus-Fremdenfeindlichkeitskeule Herrn Hahn Mores lehrt – und ihn ultimativ auffordert, wenigstens einen Helden Hans oder besser Fritz zu nennen!

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Ein Kommentar

  • Thomas Hahn

    Die Namen haben die Gesprächspartner selbst gewählt. Keiner wollte Hans heißen. Viele Grüße, Thomas Hahn