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Kathedralisch III: Das Tympanon des Berner Münsters

12. April 2017, Beginn 19:00

Kostenlos

Ein Vortrag von Dr. Martin Kersting

Die Schweiz ist schon ein bewunderungswürdiges Land: Wofür wir in Deutschland einen Weltkrieg verbunden mit Tausenden von Fliegerangriffen brauchen, das schaffen unsere südlichen Nachbarn komplett aus eigener Kraft. In den reformierten Kantonen sind die Kirchengbäude genau so öde und leer wie etwas in St. Marien in Lübeck, welche ihre gesamte Ausstattung in dem ersten großen Bombenangriff auf eine deutsche Stadt am 28. März 1942 verloren hat.

In Bern, Basel, St. Gallen, Genf und (mit gewissen Einschränkungen) Zürich haben schon die zwinglischen und calvinschen Barbaren in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts für tabula rasa gesorgt, während in Deutschland Martin Luther sich „seinem“ Taliban Andreas Bodenstein von Karlstadt mutig gegenüber stellte, welcher schon eifrig dabei war, zum Beispiel die Wittenberger Schlosskirche platt zu machen. Das Inventar von St. Sebald oder St. Lorenz in Nürnberg konnte nur aufgrund einer direkten Intervention Luthers gerettet werden.

So ist es um so erstaunlicher, dass in Bern am Münster ein einzigartiges Denkmal des vorreformatorischen Glaubens erhalten geblieben ist, selbst wenn es in einigen wesentlichen Punkten im 17. Jahrhundert reformatorisch korrigiert worden ist. Das Tympanon zeigt ein jüngstes Gericht und reiht sich damit in die Reihe der großen Kathedralen seit dem 12. Jahrhundert ein. Allerdings weist es so viele Abweichungen im ikonographischen Programm etwa von Straßburg oder Freiburg auf, dass es einer gesonderten Betrachtung Wert ist.

Eine waschechte Sensation für das 15. Jahrhundert ist zum Beispiel die gegenüber Straßburg, Basel, Regensburg, Bamberg oder Freiburg völlig andere Einschätzung des Judentums. Werden sonst die Tympanoi genutzt, um antjudaistische Propaganda zu verbreiten, so kann man für Bern ein große Hochachtung für das Judentum konstatieren, die so weit geht, dass man sich sogar über kirchliche Dogmen hinweg setzt.

Das Relief ist aber nicht nur geistesgeschichtlich von Bedeutung. Die mehr als zweihundert Figuren liefern auch einen Einblick in die sozialen Sichtweisen einer bedeutenden Handelsstadt.

Der Vortrag schließt an zwei andere von mir gestaltete Veranstaltungen zur Turmvorhalle im Freiburger Münster an. Ich habe damals die These auf gestellt, dass eine mittelalterliche Kathedrale sprechen kann und wir sie verstehen können, vorausgesetzt, dass wir über die entsprechende Grammatik (= kirchliche Dogmen) und das zugehörige Wörterbuch (= christliche Ikonographie) verfügen. Diese These möchte ich vertiefen, wobei wir in Bern mindestens einen neuen Dialekt erlernen müssen.

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Details

Datum:
12. April 2017
Zeit:
19:00
Eintritt:
Kostenlos
Veranstaltungskategorie:
Veranstaltung-Tags:

Veranstalter

Salon de Steils – Eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft Kultur zur Förderung des Vortragswesens in Steilshoop

Veranstaltungsort

Kulturtreff Café JETZT
Gründgensstraße 22
Hamburg, 22309