Oh Wunder über Wunder

leguanSteilshoop ist auf dem besten Wege, zu einer heiligen Stätte zu werden – von wem auch immer. Die Wunder häufen sich in nahezu beängstigender Weise, so dass man fürchten muss, dass das Ende nahe ist.

Das Tierhaus etwa wird sich bald der Pilgerströme nicht mehr erwehren können, denn dort scheint der Hotspot der Gnade zu liegen.

Kein Wunder ohne Wundertäter – und der Wundertäter– jauchzet, frohlocket, singt, jubilieret – lebt mitten unter uns. Es geschah an einem milden Septemberdonnerstag genau um 8:15, als der ohnehin schon aufgrund seiner Stadtteilbeiratsmitgliedschaft verehrungswürdige junge Mann zu der Bartagame im Tierhaus sprach: „Bartagame, sei von nun ab ein Leguan“ – und siehe, die Bartagame ward ein Leguan. Ihre braunen und grauen Schuppen erstrahlten in einem kräftigen Grün, vor allem aber nahm sie wie weiland der Große Hulk um 400 % an Umfang, Gewicht und Kraft zu, ja sie drohte ihr Terrarium zu sprengen.

Dem armen Tier kullerten die Tränen aus den Augen, denn eigentlich fand es sein Agamendasein ganz nett. Wie in seiner australischen Heimat gab es im Tierhaus eine Sandsteppe mit kargen Felsen, auf denen man wunderbar klettern konnte, viel Wärme und vor allem war es trocken. Nun aber als Leguan fand er die Trockenheit entsetzlich; er vermisste die Bäume und Äste des tropischen Regenwaldes, an denen er sich hangelnd bewegen konnte. Ihm machte auch das zuvor so geliebte eigenbrötlerische Leben keinen Spaß mehr und es überkam ihn die ganz große Sehnsucht nach zwei oder drei Leguaninnen, die ihm das öde Dasein hätten versüßen können.

So viel Elend erweichte auch das Herz unseres Wundertäters: Nein, natürlich machte er sein Wunder nicht rückgängig, sondern nahm den Leguan als Exemplum, um die Sünder, Zöllner, Pharisäer und Beschäftigungsträger wieder auf den Pfad Tugend zu führen. Er schrieb eine flammende Philippika gegen die Alraune und zichtigte sie der Leguanquälerei. Die zeigte sich allerdings von ihrer verstocktesten Seite und behauptet doch tatsächlich weiterhin, der Leguan sei eine Bartagame.

Der nicht eingeweihte Leser wird sich spätestens jetzt die Frage stellen, warum sich der Verfasser diese Geschichte ausgedacht habe. Schön wäre es, wenn dem so wäre! Leider gibt es in Steilshoop eine Gruppe von Menschen, welche das Bedürfnis haben, alles, was im Entferntesten mit Natur zusammen hängt, platt zu machen und zu zu betonieren. Nachdem sie im vergangenen Jahr bei den Baumfällungen eine herbe Niederlage hinnehmen mussten, kühlen sie nun ihr Mütchen an dem Tierhaus. Es ist tatsächlich so, dass der erwähnte Wundertäter eine Mail an mindestens dreißig Empfänger in Steilshoop geschrieben hat, in der er die Haltungsbedingungen eines Leguans im Tierhaus beklagt. Für einen riesigen Leguan wäre das Terrarium dort tatsächlich die reinste Folter, für eine Bartagame jedoch – und darum handelt es sich – das Paradies.

Es fällt schwer, hinter einer derartigen Verdrehung von Tatsachen nur eine gewisse mentale Einschränkung zu vermuten, denn sie ist Teil einer größer angelegten Kampagne. Ein Bruder im Geiste des Wundertäters hat an den gleichen Kreis nur eine Stunde früher eine Mail geschrieben, in welcher das Tierhaus betreffend mit noch dreisteren Lügen operiert wird. Er behauptet zum Beispiel, dass es seiner Initiative zu verdanken sei, dass im Tierhaus wieder tierwürdige Zustände herrschen würden. Wahr an dieser Aussage ist allerdings nur, dass er den Sozialausschuss des Bezirks Wandsbek über angebliche Missstände informiert hat und dass selbiger darauf hin das Veterinäramt mit einer Kontrolle beauftragt hat. Diese endete mit einem dicken Lob für die Verantwortlichen, wobei ganz besonders die Art der Haltung der Bartagame hervorgehoben worden ist.

Der tiefere Sinn dieser Kampagne ist natürlich offensichtlich: Im Kontext der Bebauung des Nordbereichs in Steilshoop soll auch das Tierhaus überplant werden. Wenn man es schon im Vorfeld abräumen könnte, dann gäbe es für die notorischen Störenfriede ein Objekt weniger, was sie im Ernstfall verteidigen könnten. Dass die beiden Agitatoren auch noch Mitglieder der in Wandsbek und Hamburg herrschenden Partei sind, ist da sicher kein Zufall.

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