Man will gesellschaftliche Probleme durch bauen lösen und packt die eigentlichen Probleme nicht an

2019 wird nicht nur das Jahr sein, in dem wir Steilshoops 50. Geburtstag feiern können. Im kommenden Jahr soll auch mit dem Umbau der Siedlung begonnen werden.  Auf Parkpaletten sowie in unmittelbarer Nähe der geplanten U5-Haltestelle ist mit Neubauplanungen zu rechnen. Schon in Kürze soll im Norden auf den durch den Schulneubau frei werdenden Flächen umfangreicher Wohnungsneubau stattfinden.
Vor diesem Hintergrund wollen wir an den Vortrag “Rahmenplanung Steilshoop Nord. Zurück in die 60er?” von Professor Michael Koch (HCU) erinnern. Er hielt ihn, anlässlich der Steilshooper Vortragstage, am 16. September 2014 im (mittlerweile abgerissenen) Theatersaal des Bildungszentrums. Hier die Zusammenfassung:

„Stadt ist nicht mehr ein Zustand, sondern ein Prozeß“ war eine der Kernthesen des Vortrags von Michael Koch von der Hafencity Universität. Der Hochschullehrer zeigte in seinem mit Spannung erwarteten Vortrag auf, dass Großsiedlungen im Allgemeinen und im Besonderen mit einerseits ähnlichen Sichtweisen konfrontiert werden, tatsächlich aber nur aus lokalen Gegebenheiten verstanden werden können. So werden Großsiedlungen z.B. häufig in den Medien schlecht abgehandelt und als Ursache für die sozialen Verwerfungen wird die (Hochhaus-) Architektur genannt.  Tatsächlich ist aber nicht das, was gebaut wurde, sondern das, was NICHT gebaut wurde, das Problem. Für Steilshoop z.B. ganz konkret die geplante, aber nie realisierte U-Bahn oder der Mangel an Experimentierfeldern wie sie bei Umnutzungen in Form von Hinterhöfen, Schuppen, Brachen auftreten. Auch das ungeliebte Einkaufszentrum („die problematische Liegenschaft“) war seinerzeit als kleinteiliger Marktplatz geplant. Als weiteres Defizit wurden die fehlenden Arbeitsplätze im Stadtteil konstatiert. Soziale Isolation entsteht nicht, weil Menschen in Hochhäusern wohnen, sondern weil es ihnen dort an Begegnungsstätten mangelt.

Doch warnte Koch auch davor, soziale Probleme durch Gebäudeneubauten bewältigen zu glauben, da sich diese schnell als Geste entlarven könnten, wie er mit Beispielen aus Sarkozys Frankreich belegte. Abriß und Neubau hätten möglicherweise keine substanzielle Veränderung zur Folge, wenn man nur auf ein neues Gebäude setzt, statt den Prozeß von Planung und Realisierung „gemeinschaftlich“ anzugehen. Er verwies dabei auf die Schöpfergeste des genialen, aber einsamen Planers, die sich mittlerweile überlebt hätte und von kollegialen Planungsteams abgelöst wäre. Aber eine vermehrte Erfolgsaussicht könne erst dann bestehen, wenn auch engagierte betroffene Laien involviert würden. Dabei mahnte er an, dass nicht nur Mitbestimmung, sondern auch verbindliche Verantwortungsübernahme zu erwarten sein muß.
In der Diskussion war es spannend zu sehen, dass der Altersdurchschnitt deutlich gesunken war, denn auch Kochs Studenten waren im Hörsaal zugegen, da der Dozent das Thema Großwohnsiedlungen in Form von Stadtrundgängen in Steilshoop schon konkret in den Lehrplan aufgenommen hat!

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