Künstlerischer Lebensfunken im EKZ

Es hat sich herumgesprochen, daß seit geraumer Zeit ein Lebensfunke im EKZ für fröhliche Aufregung und gute Stimmung sorgt: das offene Atelier.

Alle waren gekommen als Männerbässe „…roholing Home“ schmetterten und südamerikanische Musik zum Tanzen einlud. Freunde und Bekannte und sogar eine Anzahl hübscher junger Mädchen bildeten, neben der Kunst, den vernissagentypischen ästhetischen Reiz.

Das EKZ wagt sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder aus der Deckung und fördert eine Steilshooper Künstlerin, die in sechs Wochen (fast) alle Bilder malte, die nun gewürdigt* und befeiert werden konnten. Mariana Martins hat im „offenen Atelier“ eine herkulische Aufgabe bewältigt und damit nicht nur im Rahmen ihrer Kunst, sondern für den ganzen Stadtteil einen Meilenstein gesetzt. Das EKZ, der Ort in dem sich die Leere progressiv ausbreitet wie ein materieabsorbierendes schwarzes Loch im Kosmos, ist durch künstlerische Intervention verändert worden. Eine hat sich gegen das Unglück des Ladensterbens gestemmt. Ödnis und Langeweile sind – für einen Moment? – aufgehalten worden.

Die Künstlerin sorgte durch ihre performative Kunst der „Ansprechbarkeit und Kommunikationsbeförderung“ dafür, daß Kunstfreunde, Ladenbesitzer, Dienstpersonal, Kunden und Streuner miteinander in Gespräche gerieten und Positionen austauschten. Nicht nur über die Kunst. So ist auch in Hamburgs Peripherie ein Funken „nuit debout“, ein Steilshooper Frühling erwacht. Fremde teilen sich mit, indem sie über Bilder vom Meer, Küstenstreifen und Schiffen raisonierten. So lernte man sich kennen. In diesem Rahmen erfuhr man von Kunstfreunden, die Tizian verehren, von hergewehten Bühnenbildnern und von disziplinierten Eisenbahnfreunden. Aber man sprach auch über die offene Ateliersituation, das Einkaufszentrum und den Stadtteil. Sicher haben die meisten, die sich mehr Läden im EKZ wünschen, nicht in erster Linie an ein offenes Atelier gedacht. Eher an ein Fischgeschäft, Supermärkte, Elektrofachbedarf, aber nun wünscht sich jeder, daß er bzw. sie bleibt. Für Steilshoop ist der kommunikationsbefördernde Kunstraum neu und sicher auch weiterhin ein Ort von sympatischen Begegnungen, wie man ihn hier schon oft vermißt hat. Glück und Lebensfreude gehören aber in jeden Stadtteil. Und daß hier Kunstgenuß wie Malerei und Musik mit großer Begeisterung angenommen werden, spricht Bände, wie sehr die Bevölkerung diesbezüglich ausgehungert wurde.

Die existentielle Not, die durchaus bei vielen Bewohnern sicher herrscht, sollte nicht allein dazu führen, daß nur die Betreuungsindustrie („betreuen und beraten, belehren und bekehren“) in Lohn und Brot versetzt wird. Kunst sollte immer möglich sein – auch und vielleicht besonders unter schwierigen Bedingungen. 

* Zur Ausstellung erschien ein Katalog: „Seewege – wohin geht die Reise?“

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2 Kommentare

  • riffels

    gute Aktion von M und I. Ehrlich, authentisch,erfrischend, urban und Menschen, die sich lustvoll miteinander die zeit vertreiben.
    Also das Gegenteil von bigotten steuerfinanzierten Mietkünstlern und Stadtteilbeglückern, die stromkästen bekleben …

  • Ach wie lieb und cool zugleich. Ich freue mich sehr darüber. Noch fehlt eine weitere kleine Sitzgelegenheit aber so es sein soll, wird diese noch kommen. Alles ist in Bewegung und wir schwingen mit. *Verbeuge mich!*

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