Steilshooper Mythen oder wie funktioniert ein Stereotyp? [Teil 2]

Vor rund 10 Jahren habe ich den folgenden Text als Vortrag im AGDAZ gehalten. Nach Teil 1 folgt heute der 2. Teil.

Die Hamburger Abendblatt Redakteurinnen Sifft und Tants verpacken ihren konservativen, ja reaktionären Blödsinn unter der Betroffenheitsmasche. Pseudowissenschaftlich geriert sich gelegentlich die „Welt“, wenn sie über den sie eigentlich nicht interessierenden Stadtteil schreibt. Der Pädagoge Peter Struck benutzt Steilshoop – oder besser das Bild Steilshoops, so wie es der Springer-Konzern geschaffen hat -, um seine konservativern Erziehungsideale einem schockierten Publikum nahe zu bringen: „Momentaufnahme aus der Gesamtschule von Steilshoop. Ein scheinbar normaler Tag, keine Vorwarnung. Dann der Knall – ein selbstgebauter Sprengsatz detoniert. Der Aufenthaltsraum wird zerstört. Sachschaden 40.000 Mark, Nur wenige Monate zuvor gingen in dem Ende der sechziger Jahre für 20.000 Menschen errichteten Betonviertel kleine Bomben hoch, wurden Feuer in den Treppenhäusern der gigantischen Wohnblocks gelegt, wurden Linienbusse mit Luftgewehren beschossen. Crash Kids und S-Bahn-Surfer sind hier zu Hause. Die Jugendbande „Ghetto-Kingz“ hinterließ Graffiti.“ 1. Dass Herr Struck Steilshoop niemals gesehen hat – die gigantischen Wohnblöcke entstammen dem Archiv seines Auftraggebers -, kann man ihm ja zur Not noch verzeihen. Gegen die Bezeichnung des Stadtteils als Betonviertel werden wir hier wohl machtlos in alle Ewigkeiten bleiben. Wie noch zu zeigen ist, verfolgt Herr Struck aber mit dieser Diffamierung ein weiteres Ziel.

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Steilshooper Mythen oder wie funktioniert ein Stereotyp? [Teil 1]

Vor rund 10 Jahren habe ich den folgenden Text als Vortrag im AGDAZ gehalten. Ob seiner Länge wird er hier in Fortsetzung veröffentlicht.

Jeder von uns kann aus dem Stegreif einen Vortrag über München, Frankfurt, Stuttgart oder Duisburg und die Mentalität seiner Bewohner halten, auch wenn er die Städte nur von einem Kurzbesuch her kennt. Wir wissen ganz genau, dass in der bayrischen Metropole sich vor allem Angehörige der Schickeria umbringen, dass Frankfurt ein einziger Rotlichtsumpf ist, dass in Stuttgart hinter der kleinbügerlichen Fassade die Verlogenheit des Spießers lauert und der Duisburger Proletarier längst zum Lumpenproletariat zu zählen ist. Woher wir das wissen? Natürlich aus dem Fernsehen. Spielfilme und noch mehr Serien verbinden grundsätzlich bestimmte Städte mit einer sozialen Schicht oder Klasse, weil wir genau diese Schicht oder Klasse in genau dieser Stadt erwarten. Zwar hat München auch hochgradig problematische Stadtteile wie Untersendling oder Hasenbergl zu bieten, Drehorte sind aber Grünwald oder Starnberg. München-Untersendling dagegen findet in Duisburg-Maxloh oder Berlin-Neukölln statt. Noch augenfälliger wird das geographische Prinzip als Ausdruck bestimmter sozialer Verhältnisse in amerikanischen Serien gehandhabt. Das natürliche Biotop von Al Bundy ist nun einmal Chicago, schwarzes Bürgertum gehört nach New York und alle Nonkonformisten sammeln sich in San Francisco. Die Wahrnehmung der Serienproduzenten ist allerdings mindestens 80 Jahre alt. Das Bild der Stadt am Lake Michigan zum Beispiel ist geprägt durch die Romane von Upton Sinclair, der in den zwanziger Jahren die Brutalität einer Industrieregion beschrieben hat. Die heutige Bedeutung von Chicago resultiert aus den vielen Wissenschaftseinrichtungen, deren Zahl sogar die von Südkalifornien übersteigt, so dass die Stadt in ihrer soziologischen Zusammensetzung große Ähnlichkeiten mit dem Raum Boston aufweist. Die Produzenten der Filme bedienen einerseits unsere Erwartungshaltung, andererseits sorgen sie dafür, dass sich unsere Urteile derartig verfestigen, dass wir kaum noch in der Lage sind, zwischen einem aufoktroyierten Vorurteil und einem aus eigener Erfahrung resultierendem Urteil zu unterscheiden. Weiterlesen

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50 Jahre Steilshoop – Nutzen wir die Chance

Dorfgraben. IKON

Ein Fest zu einem fünfzigjährigen Geburtstag auszurichten, ist heikel. Das fängt schon mit der Gästeliste an, denn in jeder anständigen Familie hat sich ein Teil der Sippe mit einem anderen völlig verkracht. Darf man bei der Einladung die schrägen Cousinen oder den Onkel, mit dem man gerade einen Prozess um Großmutters Erbe führt, einfach übergehen? Dann gibt es da noch den Vetter Trunkenbold, der garantiert auf der Feier für einen Eklat sorgt – und auch die Exgattinnen und –gatten, die man ja eigentlich viel lieber mag als die Neugattinnen und –gatten, bereiten schlaflose Nächte.

Kopfschmerzen verursacht die Frage, was für eine Feier man überhaupt will. Soll es ein nettes, im günstigen Fall sogar lustiges Fest in einem vertrauten Kreis werden, oder verlangt es die Würde und die Bedeutung des Jubilars, dass am Eingang Besenstile ausgegeben werden, auf dass auch die entsprechende Steifheit zu Stande kommt? Will man wirklich ellenlange Elogen über sich ergehen lassen, welche die Biographie des Geburtstagskindes vom Mutterleibe an in den herrlichsten Farben erstrahlen lässt, oder gibt es auch ein Plätzchen für Ironie und Satire?

Alles Fragen, mit denen sich auch die Steilshooperinnen und Steilshooper in den nächsten Monaten abquälen müssen. Weiterlesen

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„Wir verlieren sehr viel …

… und gewinnen sehr wenig.“ So die Feststellung Martin von der Mühlens zum Abriss des Bildungszentrums in dem beachtenswerten Bildbändchen Baustelle betreten!, welches pünktlich zur Grundsteinlegung des Schulneubaus der Steilshooper Öffentlichkeit vorgestellt werden konnte. Man darf sicher sein, dass von der Mühlen weiß, wovon er spricht. Kaum einer kennt den Komplex des in den letzten Zügen liegenden Bildungszentrums besser als er. Seit einem Vierteljahrhundert als Lehrer in Steilshoop tätig musste er den Untergang der vormaligen Gesamtschule miterleben und war maßgeblich am Aufbau der Schule am See beteiligt.

Das Buch hat nicht die Absicht eine Dokumentation des Abrisses zu sein, sondern gibt mit den Mitteln der Fotografie, der Zeichnung und des Films die Assoziationen und Gefühle wieder, welche die Schülerinnen und Schüler im Winter 2017 hatten, als der Bauteil II des Bildungszentrums dem Erdboden gleich gemacht wurde. Weiterlesen

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Salon de Steils – Das verflixte siebte Jahr ist geschafft!

Wenn es hochkommst, sind es einhundertfünfzig (von rund 15.000) Steilshooperinnen und Steilshoopern, welche bisher den Salon de Steils im JETZT wahrgenommen haben. Würden wir irgendwelche öffentlichen Förderungsgelder bekommen, dann müssten wir wohl bei den in diesem Fall regelmäßig stattfindenden Evaluationen so richtig ins Zittern kommen. Es hat seit 2011 weit über siebzig Vorträge zu kulturhistorischen Themen gegeben – und dann nur einhundertfünfzig Teilnehmer! Da die Kulturförderbürokraten in der Lage sind, den Wert von Veranstaltungen in Volt, Watt, Becquerel, Kilogramm, Bar, Metern, Hektolitern oder Bildungspunkten zu bemessen, wären wir wohl eine Marginalie, die man komplett ignorieren könnte und der man auch die Fördergelder streichen würde.

Man könnte dem natürlich entgegen halten, dass auch ein Hektoliter Erbsensuppe nur wenige Gramm Salz benötige, um schmackhaft zu werden, und dass ein Kilogramm Trüffel etwas anderes sei als ein Kilogramm Zuchtchampignons – und ein Vortrag über ein Thema aus dem Bereich der mittelalterlichen Literatur anders eingeschätzt werden müsse als ein Konzert von Helene Fischer.

Gott sei Dank brauchen wir uns nicht mit derartigen Absurditäten aufhalten. Da wir ausschließlich von dem Idealismus unserer Referentinnen und Referenten leben, die sich in ihrer freien Zeit hin setzen, um den Steilshooperinnen und Steilshoopern ein Bildungserlebnis zu bescheren, können uns jene einmal das, was auch der Bischof von Bamberg dem Götz von Berlichingen konnte.

Unabhängig jedoch, ob es öffentliche Mittel gibt oder nicht, wird es nach sieben Jahren mehr als Zeit, einmal kritisch Bilanz zu ziehen. Haben wir unsere Ziele verwirklicht oder ist es notwendig das ganze Programm einmal einer Komplettrenovierung zu unterwerfen? Natürlich bin ich nicht unbedingt der beste Mann dafür, denn in dem Salon de Steils steckt ganz viel Herzblut von mir. Weiterlesen

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Banausen, Zisterzienser, Jesus und die Sockelarbeitslosigkeit

Die berühmte und immer wieder zitierte Feststellung von Max Weber, dass der Calvinismus die Religion des Kapitalismus sei, stimmt nur zur Hälfte. Wir wissen spätestens seit Karl Marx, dass der Kapitalismus zwei alles bestimmende Faktoren hat. Der eine ist natürlich das Kapital, resp. das Eigentum an Produktionsmitteln, der andere die Arbeit. Weber bezieht nur ersteres ein, indem er sich auf Calvins kleine Schrift „de providentia Dei“ beruft, in der das irdische Wohlergehen als sichtbares Zeichen der göttlichen Fürsorge angesehen wird. Sicher wurde dadurch Reichtum und Besitz auch moralisch legitimiert. Die Arbeit ist aber schon mehr als dreihundert Jahre früher neu bewertet worden. Weiterlesen

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