All you need is love!

Besuch aus dem tiefen Süden lohnt sich! Wann käme sonst ein Steilshooper auf die Idee, eine Hafenrundfahrt zu machen? Und hätte ich nicht am vergangenen Wochenende eine Hafenrundfahrt gemacht, so wäre mir eine der größten Sensationen der Weltgeschichte seit der Bekehrung der Maria Magdalena entgangen.

Ihr wurden weiland sieben Dämonen ausgetrieben (Lk. 8,2), aber für das, was ich am Hafen gesehen habe, musste wohl schon ein ganzes höllisches Heer in die Flucht geschlagen worden sein. Die Hamburger Traditionswerft Blohm & Voss leistet öffentlich und mit riesigen Transparenten Abbitte für ihre doch schweren Sünden der vergangenen 120 Jahre. 1877 gegründet und seit 1899 in der Rüstungsproduktion tätig kann die Firma von sich behaupten, dass die Seekriege des 20. Jahrhunderts auf dem Atlantik durch ihr Wirken überhaupt erst möglich geworden sind. Wilhelm II. hätte bestimmt auf Skagerrak mit 6.000 britischen und 2.500 deutschen toten Marinesoldaten verzichten müssen, hätte ihm nicht Blohm & Voss so schöne Linienschiffe, Kreuzer, Korvetten und Torpedoboote gebaut – ohne die in Steinwerder zusammengeschweißten U-Boote wäre Großadmiral Dönitz wohl der Nürnberger Prozess und das Spandauer Gefängnis erspart geblieben. Zurückhaltende Schätzungen gehen von 60.000 gefallenen Seeleuten im U-Boot-Krieg aus. Das riesige Trockendock Elbe 17, welches als eines der wenigen in Europa die „Queen Mary“ aufnehmen kann, ist ausschließlich dafür gebaut worden, um Hitler riesige Schlachtschiffe zur Verfügung zu stellen. Zum Glück ist aus diesem Programm nur die Bismarck hervorgegangen, welche schon auf ihrer Jungfernfahrt von einem britischen Torpedobomber versenkt wurde. Von den 2.220 Besatzungsmitgliedern überlebten nur 116.

Ein bisschen flau war das Geschäft mit dem Tod bis in die 60er Jahre, aber dann wurden auch in Deutschland wieder Fregatten und Korvetten gebaut. Dass dabei so manches Schiff in Weltgegenden, in denen man derartige Geräte nun gar nicht gerne sieht, abdampfte, versteht sich von selbst.

Alles vorbei, denn Blohm & Voss hat die wahren Werte erkannt. Geschafft hat dieses Bekehrungswerk ein nahezu textfreies Lied mit ein paar Takten der Marsellaise: „All you need is love“ („that is the all you need, Love, Love, Love“ – und das war es schon). John Lennon und Paul McCartney sind ihre Botschaft endlich nach 50 Jahren, nachdem das Liedchen erstmalig geträllert wurde, an der richtigen Stelle los geworden. Einer der fürchterlichsten Rüstungskonzerne der Welt propagiert dieses von den Beatles konstatierte einzige Bedürfnis der Menschheit in riesigen Lettern an seinem Schwimmdock. Blohm & Voss wird ab sofort also nur noch Rettungsschiffe für Flüchtlinge im Mittelmeer bauen.

Natürlich könnte es auch um etwas ganz anderes gehen: Dialog mit der dem Transparent gegenüberliegenden Hafenstraße. Die vormaligen „street-fighting-men“ (Jagger / Richards) sind zwar in Ehren ergraut, aber „all you need is love“ war auch in ihren besseren Zeiten nicht ihr Lieblingssong. Blohm & Voss also nur im missionarischen Auftrag für ein „bisschen – aber wirklich nur ein bisschen – Frieden“?

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2 Kommentare

  • Martin Kersting

    Jetzt schäme ich mich aber! Wie konnte ich nur so falsch liegen! Blohm & Voss hat den liebreizenden Spruch nur um des schnöden Mammons willen angebracht, indem sie die Fläche des Docks vermieten, um Werbeeinnahmen zu gerieren?
    Lieber Riffels, Du hast meinen kindlichen Glauben an das Gute zerstört!
    Aber das Christkind, das gibt es doch noch … oder?
    Ein komplett zerknirschter MarKe

  • riffels

    wäre dem verfasser des denkwürdigen artikels die Fähigkeit zu genauerem Hinschauen gegeben, wäre ihm möglicherweise aufgegangen, daß das Plakat eine Werbung für einen amazon musikdienst ist und nichts originär mit b&v zu tun hat. aber was scheren einem Getriebenen bremsende details, wenn er seine heilsbotschaft verkünden muss.

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