50 Jahre Steilshoop – Nutzen wir die Chance

Dorfgraben. IKON

Ein Fest zu einem fünfzigjährigen Geburtstag auszurichten, ist heikel. Das fängt schon mit der Gästeliste an, denn in jeder anständigen Familie hat sich ein Teil der Sippe mit einem anderen völlig verkracht. Darf man bei der Einladung die schrägen Cousinen oder den Onkel, mit dem man gerade einen Prozess um Großmutters Erbe führt, einfach übergehen? Dann gibt es da noch den Vetter Trunkenbold, der garantiert auf der Feier für einen Eklat sorgt – und auch die Exgattinnen und –gatten, die man ja eigentlich viel lieber mag als die Neugattinnen und –gatten, bereiten schlaflose Nächte.

Kopfschmerzen verursacht die Frage, was für eine Feier man überhaupt will. Soll es ein nettes, im günstigen Fall sogar lustiges Fest in einem vertrauten Kreis werden, oder verlangt es die Würde und die Bedeutung des Jubilars, dass am Eingang Besenstile ausgegeben werden, auf dass auch die entsprechende Steifheit zu Stande kommt? Will man wirklich ellenlange Elogen über sich ergehen lassen, welche die Biographie des Geburtstagskindes vom Mutterleibe an in den herrlichsten Farben erstrahlen lässt, oder gibt es auch ein Plätzchen für Ironie und Satire?

Alles Fragen, mit denen sich auch die Steilshooperinnen und Steilshooper in den nächsten Monaten abquälen müssen.

Ein kleiner Schritt ist schon gegangen worden: Aufgrund eines gemeinsamen Aufrufs von Koordinierungskonferenz und Stadtteilbeirat hat sich ein Organisationskomitee gebildet, das die Aufgabe hat, die Steilshooperinnen und die Steilshooper für die Feier zu begeistern und vor allem zu eigenen Ideen und Aktivitäten zu motivieren. Es lädt deshalb zu einer Auftaktveranstaltung alle Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils, die Vertreterinnen und Vertreter der Institutionen und überhaupt alle, die sich mit Steilshoop verbunden fühlen, zu einem ersten Gedankenaustausch ein.

Die gemeinsame Einladung ist schon ein erster – und gar nicht mal so kleiner – Erfolg. Die Aktiven in Steilshoop wissen, dass das Verhältnis zwischen Stadtteilbeirat und Koordinierungskonferenz nicht ungetrübt ist. Natürlich spielen dabei auch verletzte Eitelkeiten und persönliche Animositäten eine nicht unbedeutende Rolle, aber dahinter steht ein sehr unterschiedliches Verständnis von Bürgerbeteiligung. Auf Forum Steilshoop haben wir wiederholt die Position der Koordinierungskonferenz dazu dargelegt.

Allen Beteiligten ist klar, dass ein Fest diese recht fundamentalen Gegensätze nicht aufheben kann. Das oft bemühte „Gespräch beim Bier“ hinterlässt zwar an dem Abend selbst manchmal das wohlige Gefühl einer völligen Harmonie, aber meist am nächsten Morgen ist das schon verflogen, wenn man feststellen muss, dass die Welt immer noch die selbe ist wie am vorhergehenden Nachmittag.

Nein, die Lösung heißt nicht Alkohol, sondern zum einen gemeinsame Arbeit für ein Ziel, aus der sich dann zum anderen auch inhaltliche Diskussionen ergeben. Einerseits gilt es ein unvergessliches Fest zu gestalten, andererseits ist das aber auch die Gelegenheit, gemeinsam eine an der Realität orientierte Bestandsaufnahme zu schaffen. Wir wollen uns ja Hamburg und der Welt präsentieren – allerdings nicht nur von unserer Schokoladenseite. Was nützt es, wenn die Presse von wunderschön gestalteten Innenhöfen berichtet, aber vergisst zu erwähnen, dass in einem Viertel der dahinter liegenden Wohnungen ALG-II-Empfänger wohnen, die sich darüber sorgen müssen, ob die ARGE nach den Renovierungen und Modernisierungen ihnen noch die Miete bezahlt? Es muss auch bekannt werden, dass immer noch viel weniger Steilshooper Schülerinnen und Schüler einen Bildungsabschluss erreichen als in den meisten anderen Stadtteilen. Vor allem aber wollen wir gemeinsam mit unseren Gästen auch eine Perspektive für unseren Stadtteil entwickeln, welche dann vielleicht unseren Nachfahren im Jahr 2069 ermöglicht, ein noch grandioseres hundertjähriges Jubiläum zu feiern.

Deswegen freut sich das Vorbereitungsteam, wenn es am 16. Juni ganz viele Mitbürgerinnen und Mitbürger begrüßen darf. Vielleicht ist das schon eine Gelegenheit festzustellen, dass die Cousinen doch gar nicht so schräg sind und dass die Neugattinnen und Neugatten durchaus auch ihre Qualitäten haben.

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